Eine Reise geht zu Ende

25 10 2011

Eine lange Reise geht nun dem Ende zu, in wenigen Tagen flieg auch ich nach Hause, und es ist Zeit für einen Rückblick. Es waren 10 wunderbare, erlebnisreiche, aufregende Monate, von denen ich 6 mit Alex teilen durfte, die ich sehr genossen habe und nie vergessen werde. Viele Orte habe ich kennengelernt, viele Menschen aus allen möglichen Ländern getroffen, neue Musik gehört, Tänze gesehen, Gerichte probiert, unglaublich schöne Natur erlebt und Neues ausprobiert.

Ich merke aber auch dass es nun genug ist, meine Abenteuerlust ist für den Moment gestillt und ich freu mich wahnsinnig darauf wieder nach Hause zu kommen und auf das Leben in Berlin! Das Reisen allein ohne Alex hat mir zum Schluss nicht mehr wirklich gefallen und wenn ich an neue Orte kam fiel es mir auch ehrlich gesagt schwer, noch beeindruckt zu sein. Ich hatte schon soviel gesehen, so schöne Strände, so schöne Natur- und Tierwelt,  ich habe das Gefühl gesättigt zu sein. Auch das ewige Planen wohin und wann ich als nächstes fahre, das neu ankommen, sich neu orientieren, eine Unterkunft suchen, rausfinden wie wo wann der Bus fährt, wo man einkaufen kann etc. fand ich am Schluss anstrengend. Während der Reise hat mir das gar nichts ausgemacht, im Gegenteil, das war ja ein Teil des Abenteuers.

Aber es ist auch ein wunderschönes Gefühl zu merken wo meine Heimat ist und dass ich sie vermisse, genauso wie meine Familie und Freunde! Im Vergleich zu anderen Städten ist mir ein weiteres Mal aufgefallen wie toll Berlin doch zum Leben ist, ich habe auf der Reise nicht eine Stadt gefunden in der ich mir hätte vorstellen können zu leben.

Mittel-und Südamerika waren eine tolle Erfahrung, ich habe eine neue Sprache gelernt und war zum ersten Mal in Ländern, die anders sind als alles was ich bisher kannte. Insgesamt habe ich mir Südamerika aber noch mehr anders im Vergleich zu Westeuropa vorgestellt als es ist. Noch einfacher, noch traditioneller, noch weniger „entwickelt“. Ich fand es traurig dass es in jedem hinterletzten Dorf in den Anden Coca Cola zu kaufen gab. Dass es in Brasilien Städte gab wo man nur Shoppen konnte, es gibt dort ganze Shoppingmeilen, soviel kann doch kein Mensch kaufen!

Wie sehr mir dieser Konsumismus auf den Geist geht habe ich auch erst in Brasilien gemerkt, denn in den Ländern davor gab es das nicht so ausgprägt. Nun kenne ich auch nur den Süden von Brasilien, ich denke und hoffe dass der Norden „spezieller“ ist, noch Traditionen und Kultur hat. Das habe ich in Südbrasilien leider nicht gefunden. Das kann daran liegen dass es hier ein so grosser Mix aus Menschen verschiedener Länder ist, aber bestimmt auch daran dass es sehr Verwestlicht ist und sich glaube sich in den letzten Jahrzehnten stark entwickelt hat.

Verwestlichung heisst für mich  Konsum, Kapitalismus, Fabriken bauen, in Fabriken arbeiten um sich all die tollen Dinge leisten zu können. Dort wo vorher Regenwald war wird nun eine Turnschuhfabrik gebaut, die Menschen die vorher auf dem Feld gearbeitet haben oder traditionelles Handwerk ausübten, stehen nun 14 Stunden am Fertigungsband, produzieren Turnschuhe um Geld zu verdienen um sich diese Turnschuhe zu kaufen. Wo ist denn da der Sinn drin?

Ich weiss noch wie die Menschen in Nicaragua auf meine Turnschuhe gestarrt haben, nicht nur mal kurz geschaut, sie haben gestarrt, nur weil sie eben anders aussehen und sie sowas nicht kennen. Es sind keine besonderen Schuhe, einfache Laufschuhe, aber sowas hat dort niemand. So beeinflusse ich als Tourist auch schon die Bedürfnisse der Menschen, die sehen was ich für tolle Sachen habe, andere Sachen, aus dem „Westen“ und es entwickelt sich ein Wunsch, das auch zu haben. Am Besten wäre glaube ich die Sachen zu tragen die auch die Menschen dort tragen, dann fällt man auch nicht so auf.

Ich hoffe sehr für Länder wie Nicaragua und Bolivien, dass sie von der Verwestlichung verschont bleiben. Bolivien hat so viele tolle Traditionen und Bräuche, die vielen verschiedenen Tänze, Trachten, Musik, die sich von Region zu Region unterscheiden, die verschiedenen Gerichte, es wäre so schade wenn das verloren ginge. Denn heute leben die Menschen das noch, sie kleiden sich traditionell, singen und hören nur ihre Musik mit spanischen Texten. Ich weiss noch wie schwierig es war, in Sucre einen Radiosender mit internationaler Musik zu finden, weil ich einfach mal ein englisches Lied hören wollte. Gibts nicht! Oder wenn, dann nur mit Musik aus den 80ern.

In Nicaragua kann ich mich noch erinnern, unter wie einfachen Zuständen die Menschen dort gelebt haben. Ich will nicht sagen arm, denn für Armut gibt es soweit ich weiss keine eindeutige Definition. Jedenfalls hatten die Menschen dort nicht viel, die direkt am Strassenrand leben in ihrer Siedlung aus Lehmhütten mit Wänden aus Platiktüten. Aber sie hatten ein Dach über dem Kopf, einen sozialen Zusammenhalt und zu Essen. Und sie wirkten zufrieden! Ich glaube dass ein Grund dafür ist, dass sie in einer sich unterstützenden Gemeinschaft leben, aber auch weil sie noch nicht viel Kontakt mit dem Westen hatten und deshalb auch nicht wissen was sie alles haben könnten. Was braucht man denn schon um zufrieden zu sein? Einen Computer? Eine Digitalkamera? Eine Louis Vitton Tasche? In Nicaragua waren wir auf der Insel Ometepe, wo einige Gemeinden erst vor einem Jahr Strom bekommen haben. Und was stand schon in den Häusern rum? Ein Fernseher! Damit sie sich von dem ganzen Quatsch, den Telenovelas, der Werbung, den Nachrichten umnebeln lassen können.

Dass mit der Verwestlichung auch ein Teil der Kultur verdrängt wird, haben wir in Costa Rica gesehen, wie es sich auswirkt wenn Gebiete überentwickelt sind. Dort gibt es Surfresorts mit Fast Food Restaurants, Kinos, Discos, aber nichts Traditionellem. Ich will hier keinen Appell gegen die Modernisierung machen, klar, Fortschritt heisst ja auch bessere Versorgung der Menschen, bessere Hygiene, bessere Gesundheit. Ich will nur sagen, ich wünsche mir für die Länder wo es noch möglich ist, dass wenn es sich modernisiert, es aus eignem Antrieb geschieht, nicht von aussen, und ohne dabei die bestehende Kultur kaputt zu machen.

Das alles ist mir erst in den letzten Wochen so richtig bewusst geworden, als ich diese Shoppingmeilen in Brasilien gesehen habe, und alles andere was es bei uns auch gibt, der Schlankheitswahn, der Fitnesskult, immer schön aussehen und die tollsten Sachen haben. Wozu das alles? Nach den 3 Monaten in Boliviern hat mich das richtig genervt, denn dort gibt es das nicht. Die Menschen haben dort andere Sorgen als ins Fitnessstudio zu rennen und sich auf ein Laufband zu stellen oder einen Bauch-Beine-Po Kurs zu machen. Da ist es auch nicht schlimm wenn die Frau ein bisschen Speck auf den Hüften hat. Klar, die Ernährung dort ist furchtbar ungesund und macht einfach dick.

Diese Reise war für mich auch eine Art spirituelle Reise, eine Suche nach einer Antwort auf die Frage „Wer bin ich und wozu bin ich auf dieser Welt?“. Ich vermute dass mich diese Frage mein ganzes Leben verfolgen wird, denn eine Antwort habe ich noch nicht gefunden 🙂 Aber der Weg ist ja bekannterweise das Ziel und das war sicher nicht meine letzte Reise. Ich habe die Länder wie Nicaragua und Bolivien am noch ursprünglichsten erlebt, am authentischsten, am wenigsten vom Westen beeinflusst und verzerrt und dort auch am ehesten das gefunden was für mich im Leben zählt, was im Leben wichtig ist.

Jetzt denkt ihr bestimmt, was ist denn mit der los, hat sie zuviel Yoga gemacht, Haschisch geraucht oder Cocablätter gekaut? Nein, es sind einfach Dinge die mich beschäftigen, die mich bewegen und die mir wichtig sind. In diesem Sinne, ich freu mich waaaaahnsinnig euch alle wiederzusehen!

Eure Tina



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1 Antwort zu “Eine Reise geht zu Ende”

  • Petra Walter sagt:

    Hallo Tina ,
    neben Deinen bzw.Euren tollen Berichten und wunderschönen Bildern ist das ein super Schlußwort. Dankeschööööön !!! Ich habe verstanden was Du meinst und kann es Dir nachfühlen. “ Was ist das Wichtigste im Leben….! Ich bzw, wir freuen uns ganz doll auf Dich und komme gesund nach hause. Bis bald!!
    Liebe Grüße von Petra und Gerhard

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